Mit Krokodilen schwimmen

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Ich stelle zur Zeit mein Bild 'Schatten' oder 'Mit Krokodilen Schwimmen' in der aktuellen Ausstellung 'MONO' von Aishwarya Kulkarni aus. Die junge Kuratorin Aishwarya Kulkarni, deren Webseite den so weich und schön klingenden Namen MI-SUL ( Mi-Sul bedeutet Kunst in Hangul) trägt, kuratiert mit 'MONO' ihre dritte Ausstellung und ich freue mich sehr darüber, dass sie meine Arbeit für ihre Ausstellung ausgewählt hat.

 

Mit Krokodilen Schwimmen Zeichnung

  

Ich habe 'Schatten' 2017, schwanger mit meinem zweiten Kind, begonnen und konnte es bis zur Geburt nicht fertig stellen. Das Bild entstand nach einer Zeichnung die ich zuvor gemacht hatte und wie meistens, hatte ich in dem Moment in dem die erste Skizze enstand keine genaue Vorstellung davon was mich da innerlich gerade bewegt oder wie dieses Bild zu mir kam. Und wie immer ist das Thema sowohl intim als auch universell.

 

What is most personal is most universal.“ by Carl R. Rogers

 

Was mich also bewegte, und das offenbarte sich über die kommenden Jahre noch viel mehr, waren Schatten – und zwar meine. Ich fragte mich, welche Anteile in mir sind mir nicht bewusst? Was kann ich nicht sehen? Was will ich nicht sehen oder wahr haben? Wie bin ich eigentlich wirklich, wenn ich ganz bin?

Die Frage welche mich außerdem bewegte war: Was inspiriert mich in meiner künstlerischen Arbeit eigentlich wirklich?

 

Mit Krokodilen Schwimmen 2017

 

Dieser letzten Frage ging ich in einer künstlerischen Krise, irgendwann Anfang 2017 nach. Für 4 Wochen legte ich meine Pinsel und Stifte nieder. Ich musste eine Pause machen um mir und meiner Inspiration auf die Spur zu kommen. War es wirklich das, von dem ich dachte, dass es mich inspiriert oder folgte ich blind einem von mir selbst ausgetretenen Pfad?

Ich hatte zu dieser Zeit mehrere Auftragsarbeiten gemacht, und fühlte mich mittlerweile fürchterlich eingesperrt zwischen den empfundenen Erwartungshaltungen meiner Kunden und meiner eigenen Erwartung an mich, authentisch zu sein. Die Gedanken in meinem Kopf lähmten mich. Ich hatte keine Freude an meiner Kunst. Das war eine Katastrophe.

Ich musste etwas tun, indem ich nichts tat.

Also, fing ich an mich zu beobachten, wenn ich spazieren ging oder Einkäufe erledigte oder im Bus fuhr. Woran blieben meine Auge hängen und warum? Was rief in mir Gefühle wie Freude und Begeisterung hervor? Ich wollte mich neu kennenlernen.

Zu meiner Überraschung waren es „Farben und Formen“ die meine größten Inspirationsquellen waren. Einfach nur das, so simpel.

Mit dieser Erkenntnis ging in mir ein noch unbekanntes Universum auf. Ich begann abstrakte Kunst zu verstehen und ihre Schönheit zu sehen. Das war mir vorher nur selten möglich gewesen. Und nachdem ich meinen Sohn zum Ende des Sommers 2017 geboren hatte und das erste halbe Jahr vergangen war, begann ich seltsam neue Formen auf Papier zu zeichnen, während er stillte und auf meinem Schoss einschlief. Und es erfreute mich! Sie überraschten mich, diese neuen Figuren und Striche! Ich fühlte mich frei, befreit von mir selbst und dem was ich von mir glaubte, jedenfalls in mancherlei Hinsicht.

Mein Söhnchen war bis zu seinem dritten Lebensjahr kein großer Fan von Schlaf und so hat es bis 2019 gedauert, um an 'Schatten' weiter malen zu können. Wenn ein Bild eine lange Pause gemacht hat, fühlt es sich manchmal unmöglich an, den vor langer Zeit begonnenen Faden weiterzuspinnen. Das Thema des Bildes ist vielleicht schon durchgefühlt und verarbeitet und drängt nicht mehr nach Erforschung. Bilder und Ideen haben oft nur eine gewisse Zeit in der die Energie für sie frisch ist und fließt. Danach bleibt es entweder eine Idee die nicht mehr verfolgt wird oder sie können sich aus einer neuen Perspektive heraus, dem aktuellen Sein im Jetzt, weiterentwickeln.

Das Thema meiner eigenen Schatten war für mich 2019 nicht abgeschlossen und ich hatte in den zwei Jahren neue Erkenntnisse dazu gewonnen und auch neue Fragen gefunden.

Zwischen den Geburten meiner beiden Kinder liegen 13 Jahre. Wieder schwanger zur sein, in einer neuen Beziehung mit einem neuen Partner und zum Teil alten Ängsten und Prägungen war ein Abenteuer. Ich fragte mich, wer ich war, wer ich sein wollte, wie ich es haben wollte- Alles! Ich stieß an meine Begrenzungen und Widerstände.

Als ich 2019 den Pinsel wieder in die Hand nahm und an 'Schatten' weitermalte, ging, nach einem kurzen Stocken, alles sehr schnell. Ich fühlte meine Antwort auf meine Fragen und ich integrierte was ich in den vergangenen Jahren erreicht hatte. Ich malte mein „Ja“ zu mir, meinen Wünschen und meinen inneren Anteilen. Ich malte meinen Mut in unbekanntem Wasser zu schwimmen, mit meinen Schatten, komme was wolle. Ich malte neue abstraktere Farbflächen und Formen hinein. Ich feierte meine Freude an diesen neuen Entdeckungen und „gab meinem Affen Zucker“ ohne nachzudenken. Der Blick der weiblichen Figur ist mutig und entschlossen. Die Erkenntnisse die sie gewonnen hat, kann man ihr ansehen. Die Krokodile sind wie verwandelt. Ihre Zähne sind immer noch spitz und scharf aber sie haben nichts mehr von der unergründlichen Dämonenhaftigkeit der früheren Version.

 

 


'Schatten' oder 'Mit Krokodilen Schwimmen' markiert einen wichtigen Wendepunkt in meiner künsterischen Arbeit und persönlichen Entwicklung. Es ist der Punkt an dem Alt und Neu sich treffen und deshalb ganz besonders nah an meinem Herzen, weshalb ich es für ‘MONO’ ausgewählt habe.

Ich lade Dich ein 'MONO' noch bis zum 31. August zu besuchen. 21 Künstler, 21 künstlerische Arbeiten und deren Geschichte warten darauf von Dir entdeckt zu werden!


Von meinem Herzen zu Deinem

Claudia

PS: 'Schatten' ist verkauft, aber Du kannst Fine-Art-Drucke von ihm bestellen. Der Link befindet sich unter dem Kommentarfeld.

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