Über die Hintergründe zu meinem großen Acrylbild 'Wurzeln'
( Lesezeit 9 min)
Wurzeln ist aus einem Misserfolg entstanden. Es war gewissermaßen ein Trittstein auf dem Weg, den ich gerne überspringen wollte.
Wenn Du meine Arbeit verfolgst, dann weißt Du, dass meine Bilder, oft oder immer, Sinnbilder für alles sind, was mich ganz persönlich bewegt. Sie illustrieren meinen eigenen Weg und ich kann von Glück sprechen, dass sie in Verbindung mit Menschen gehen, die sich wiederum auf ihrem Weg von ihnen erkannt fühlen.
Es kommt mir schon wieder so lange her vor. Du weißt es noch, oder? Dieses letzte Jahr, indem ich gemacht, gemacht, gemacht habe und mein Stresspegel sehr weit oben war. Und dann kam unsere Reise mit dem Wohnmobil und damit eine Ahnung von einem anderen Weg und dann kam 2023.
Und jetzt ist schon fast August und letztens habe ich mit Überraschung in mir festgestellt, dass sich mein Jahr wirklich gut entwickelt. Ich bin irgendwie anders da.
Schau nochmal auf das Bild- genau da drin bin ich gerade.
Wenn Entwicklungen sich tatsächlich vollziehen und einen kritischen Punkt überschritten haben, dann weiß ich oft gar nicht mehr genau, wie es dazu kam, weil sich die neue Realität schon so selbstverständlichen Raum genommen hat.
Es ist einfach so, dass ich, vielleicht zum ersten Mal in meinem Leben, spüre, wie sich Selbstliebe anfühlt. In diesem Jahr und auch schon im Herbst 2022 habe ich viele Schritte zu mir hin (Du kannst darüber in diesem und diesem Artikel lesen) gemacht und während dessen, ist ein vorher nicht gekannter Zustand in mir erwacht.
Ich glaube, dass jeder Mensch seine ganz individuellen Türen zu besonderen Entwicklungsschritten hat. Ganz persönliche Problemfelder, die er irgendwann aufgelesen hat und die ihn Jahre, Jahrzehnte oder ein ganzes Leben beschäftigen. Zustände oder Widerstände, an denen er sich reibt, abarbeitet, nicht an ihnen vorbeikommt und an denen er verzweifeln kann.
Ehrlich gesagt, jetzt wo ich darüber schreibe, habe ich ein wenig Angst, mich zu weit aus dem Fenster zu lehnen. Was, wenn das, was ich gerade so beglückt, in mir feststelle, nicht von Dauer ist?
Meine ganz persönliche Tür zurück zu mir und dahin, mich selbst richtig liebzuhaben, entstand ziemlich genau in dem Moment, als ich, vielleicht 7 Jahre alt, vor meiner Mutter stand, in meinem weißen Tenniskleid, das ich wirklich sehr mochte, und meine Mutter von der Couch aus, auf der sie saß, sagte: „Guck mal, sie hat überhaupt keine Taille.“ Sie sagte das zu der älteren Frau, die ich auch sehr mochte, weil sie mit mir im Duden nach Schimpfwörtern suchte, und bei welcher wir zu Besuch waren.
Vielleicht hat meine Mutter das nie gesagt, jedenfalls kann sie sich nicht daran erinnern. Vielleicht war das meine ganz persönlich von mir gebastelte Realität. Auf jeden Fall hat sich in diesem Moment, in dem ich diese Worte hörte, eine Tür geformt, durch welche ich gehen musste, um das Gefühl von Selbstliebe zu erreichen. Und diese Tür war geschlossen.
Ich übertreibe keinesfalls, wenn ich sage, dass diese Tür für die nächsten 39 Jahre geschlossen blieb.
Ab uns zu ging sie vielleicht mal einen kleinen Spalt auf und ich konnte einen Blick erhaschen, aber so richtig öffnet sie sich gerade jetzt erst, da ich 46 Jahre alt bin.
Und wie kam es nun dazu?
Es ist Zeit
Wie ich gerade schrieb, bin ich 46 Jahre alt und befinde mich in einem hormonellen Umstellungszeitraum, der irgendwann, so wie in unserer Gesellschaft allgemein akzeptiert, in die Menopause mündet. Vielleicht tut er das auch gar nicht. Ich möchte mich nicht solch konditionierten Vorannahmen hingeben. Was ich aber bemerkt habe, vielleicht auch, weil ich glaubte, dass es so kommen musste, waren die Auswirkungen von einem Hormonspiegel, der durcheinander war. Eine dieser Auswirkungen war, dass alles, womit ich das Volumen meines Körpers früher beeinflussen konnte, nicht mehr funktionierte. Und es hat mich mit einem immensen Gefühl der Hilflosigkeit und Machtlosigkeit in Verbindung gebracht.
Erst vor ein paar Tagen, wurde mir klar, dass ich bis vor Kurzem täglich mit dem, was ich aß, beschäftigt war. War es gesund genug? War es zu viel? Was kann ich morgen essen, wenn ich heute das esse? Es ist wirklich verrückt. Abwechselnd kamen verschiedene Ernährungskonzepte dazu, die ich ausprobierte, oder Sportprogramme in Zusammenhang mit einer bestimmten Art mich zu ernähren. Ich will gar nicht behaupten, dass das falsch war oder ist, aber all diese Versuche hakten sich immer in meinem verzweifelten Wunsch ein, das Aussehen meines Körpers zu kontrollieren, damit ich endlich genug bin. Damit ich mich endlich vollständig lieben kann.
Dass ich es nun überhaupt nicht mehr unter Kontrolle bekam, hat mich an eine Art Nullpunkt geführt. Und da gab es ehrlich gesagt nur zwei Wege: Verzweifeln und mein Leben lang weiter kämpfen und hadern mit dem, was ist, oder mich endlich lieben lernen.
Nummer eins war keine Option.
Es gibt viele Wege nach Rom, wissen wir. Und dann kommt einer und sagt es, oder schreibt ein Buch und da liest Du dann „Liebe Dich selbst!“, und es kommt Dir gleichzeitig banal und wie eine fremde Sprache vor, die Du nicht verstehst und noch nie gehört hast.
Wie?! Habe ich mich Jahre gefragt. Es kam mir so vor, als müsste ich mich dumm stellen und so tun, als würde ich alles, was ich an mir eigentlich gering schätzte, plötzlich mögen.
Tatsächlich war es für mich ein Verlernen von gepflegten Überzeugungen und Sichtweisen. Ich habe Mut gebraucht und ich wollte auch einfach nicht mehr das nächste Programm ausprobieren, weil ich in mir wusste, dass ich damit doch nur vor dieser Tür stehen bleibe. Es war Zeit.
Das Fundament, der Grund, ist neben dem Dach eines der wichtigsten Dinge an einem Haus. Ohne starke Wurzeln kann sich ein Baum nicht gut im Sturm wiegen ohne zu kippen.
Stürme kommen und gehen und kommen. Ein falsches Wort, ein Missverständnis, Kampf. Leere, die betäubt wird, Stress, weil Vertrauen fehlt, Eifersucht, weil der eigene Wert unbekannt ist, entweder oder … die Gedanken rasen immer weiter. Kein Ankommen, das sich auch tatsächlich so anfühlt, in Sicht.
Es gibt keine Antworten auf all die damit verbundenen Fragen, außer der einen: Liebe Dich selbst.
Keine Bestätigung, keine Anerkennung, kein Geld der Welt- liebe Dich selbst.
Kein Urlaub, keine traumhafte Landschaft, kein liebevollster Partner- liebe Dich selbst.
Der Selbsthass kann sich an den schönsten Orten der Welt und unter den perfektesten Umständen zeigen. Und ich sage bewusst Selbsthass, auch wenn das ein starkes Wort ist. Ich kann sagen, ich habe mich, mein Unvermögen, meine Grenzen und meinen Körper schon manchmal sehr gehasst.
Und wenn ich meinem Hass Ausdruck gegeben hatte, nachdem ich alles und Andere verantwortlich gemacht hatte, habe ich oft zum Schluss verzweifelt geweint. Da war eine ganz tiefe Trauer über alles, was ich wollte, aber nicht hatte in mir.
Und was ich wollte, hatte viele Namen: kleinere Brüste, einen flachen und festen Bauch, Schönheit, Anerkennung, Erfolg, einen Partner, der mir ständig sagt, dass er mich liebt u.s.w. Die Kinder in mir, hatten einfach nie genug. Und sie hatten tatsächlich nie genug.
Zurück zum Anfang von allem
Irgendwann tauchte der Gedanke in meinem Kopf auf „Ich bin nicht hier auf dieser Welt, um für irgendjemanden irgendwie auszusehen.“ Dieser Gedanke, hat für mich so viel Kraft, dass ich ihn hege und pflege. Und ich habe geübt, und übe es noch, mich mit neuen Augen zu sehen und die Speckrollen, nicht per se hässlich zu finden. Außerdem habe ich jedes Kleidungsstück, das mir jetzt nicht passt, weggeworfen. Ich warte nicht mehr auf einen anderen Zustand. Ich lebe jetzt.
Mein Körper darf entscheiden, was er an Nahrung möchte. Darüber hinaus gibt es für mich keine Regeln mehr. Sport mache ich, wenn ich Lust habe und mein Körper mir zeigt, welche Bewegung er will.
Noch nie, war es so schön, in meinem Körper zu sein. Es gibt nichts zu erreichen. Keine an einen besseren Zustand gebundenen Gedanken. Da ist Freiheit entstanden.
Dieses Gefühl ist so unbeschreiblich neu für mich und eigentlich, rückwirkend betrachtet, war es gar nicht so schwer. Der Schlüssel in der Tür war Akzeptanz.
Da ist ein Sog in diesem Bild 'Wurzeln'. Ein brennendes Konzentrieren. Und Weichheit. Diese Weichheit wie nach einem langen, tiefen, entlastenden Weinen. Sie ist in ihrem Gesicht. Sich hingebend, endlich.
Diese Frau geht nach innen, ins Dunkle und Ungewisse. Sie kennt diesen Ort nicht, aber sie weiß, dass es Zeit ist. Zurück zum Anfang von allem. Da ist ein Mensch mit feurigem Verlangen, jetzt endlich durchzudringen, zur Liebe.
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